Zwischen M. und mir verhält sich die Anzahl der gefahrenen Kilometer umgekehrt proportional zur Anzahl der im jeweiligen Besitz befindlichen Fahrräder. So denke ich zumindest in spitzfindigen Momenten.

Anders ausgedrückt könnte man sagen, die Anzahl gefahrener Kilometer verhält sich umgekehrt proportional zum Spaß an und Wissen um Fahrradtechnik, oder auch zur Entscheidungsfreude, was Neuanschaffungen angeht.

M. hat im vergangenen Jahr gleich dreimal zugeschlagen (naja fast), sein N ist doppelt so hoch wie meins (mein Alltags-Cannondale zählt nur zur Hälfte).

Jedenfalls habe ich Radanschaffungsneid, und außerdem missfällt es mir zunehmend, das Jaegher, ja selbst das Verago über gesplittete, vereiste und sonstwie winterlich verunstaltete Straßen zu schleifen, und dann habe ich natürlich auch nur einen Satz Conti 4-Seasons gekauft und den am Jaegher aufgezogen, und andererseits doch dem Verago den Winter draußen versprochen. Aber bei zwei Grad minus muss ich nun wirklich nicht mit Platten irgendwo im Wind stehen. Und überhaupt.

Braucht man wirklich eine Ausrede für ein neues Rad? Braucht man nicht!

Es reicht ein Übermaß an Zeit, die plötzlich da ist, wenn man erkältungsbedingt ein paar Wochen gar nicht fahren kann und die gedankliche Saat langsam aufgeht, welche die verehrten Langstreckenradler beim Besuch meines Blog verstreuen.

Ein Rad für wüste Wege! Wo fängt man da an?

Ein Vormittag im Netz, und ich habe mir meinen illustren Geschmack bewiesen. Crema Cycles Modell mit dem treffenden Namen „Schotter“, das mich in Entzücken versetzt, aber der Preis, nun ja. (M. auf den Einwand hin, dass ich möglicherweise nicht so viel investieren sollte, weil ich noch gar nicht weiß, ob mir das Fahren im Gelände Spaß machen wird: „Können wir bitte über was Realistisches reden?“)

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Bild von www.cremacycles.com

Cannondale lackiert vermutlich mit Absicht immer nur sein jeweils teuerstes Modell so, dass es mir gefällt. Das SuperX Force dürfte auch verdreckt ins Wohnzimmer! Carbon aber, habe ich gelesen, sei für Fahrten über Stock und Stein (und ohne reichen und gebefreudigen Sponsor) nicht unbedingt die erste Wahl.

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Bild von www.cannondale.com

In den günstigeren Reihen finde ich ein Kona Rova optisch ganz in Ordnung. Ein Specialized Sequoia sieht auch okay aus.

M. wirft mir in meiner Verlorenheit in dieser völlig neuen Materie den rettenden Anker zu. Auf seinen unendlichen Reisen durch den Kiez und die angrenzenden Reviere (hier nämlich holt der sich seine Kilometer zusammen) hat er einen Radhändler aufgetan, der die schöne Marke Bombtrack führt.

Ich muss die ganze Woche an die Bomfunk MCs denken. Der Rhythmus passt jedenfalls dazu, wie ich mir so vorstelle, über die Waldwege zu kacheln. „Fr-Fr-Fr-Fr-Freestyler“…

Samstag morgen also sind wir unterwegs nach Treptow zu einem Laden namens Goldsprint. Ich fahre mit dem Jaegher hin, damit erst gar niemand auf die Idee kommt, mir lila Frauenmodelle oder selbst gebastelte Ladenhüter andrehen zu wollen (alles schon erlebt!).

Der Laden ist eine angenehme Mischung aus vollgestellt und aufgeräumt. Zu meiner großen Beruhigung sehe ich links und rechts nur Radmarken und -modelle, die mir gefallen. Gerade Linien, keine wildbunt gebeugten Werbeflächen.

Ein junger Kerl mit blondem Bart und Mütze befragt uns, was es sein darf. Eine Art Crosser für die Dame bitte, und wir haben mit dem Bombtrack Hook Extended geliebäugelt.
Der Mann mit dem Bart hüllt mich in eine Wolke mit Fachbegriffen, ich habe alle Mühe zu folgen bei 650B-Reifen und geslopten Rahmen und was weiß ich noch.

Gleichzeitig wuselt er zwischen dem Jaegher und dem Laptop hin und her, Maße nehmen, Maße vergleichen. Sehr gut ist, er will es ganz genau wissen. Das Bombtrack ist vermutlich etwas zu lang, wie wäre es mit Soma, wie wäre es mit einem Selbstaufbau, wie offroad darf es denn sein? Was ich denn mit dem Rad vorhabe?

Wenn ich das wüsste. Lange Strecken, sage ich dem Mann. Aber nicht Radreise mit 15 km/h, eher so 200 Kilometer und mehr am Tag und mit Tempo. Zum Beispiel von Frankfurt nach Berlin, aber ich weiß nicht genau, über welchen Belag das geht.

Ah, was „der Gunnar“ veranstaltet?

Und da sage ich es das erste Mal laut, ja, ich würde gern beim Candy B. Graveller dabei sein, und das gefällt mir ja nun gar nicht, Radfahren mit Ansage, und wo doch nicht mal klar ist, mit welchem Rad, und sich die Kilometer der letzten Wochen an zwei Händen abzählen lassen (Grund genug für Spitzfindigkeiten!), und nachts in den Wald, und überhaupt! Was ist, wenn ich es erst groß ankündige, und dann wird das nichts!?

Messen und gucken, gucken und messen. Das Thema Nabendynamo kommt auch noch auf den Tisch, guter Punkt, wir müssen schauen, was ich unterwegs alles aufzuladen habe, Garmin, Handy, Licht? Nicht nur Komponenten und Bereifung. Auch über die Navigation (Komoot??) muss ich mir Gedanken machen. M. lächelt nur, als er meinem Blick zwischen Panik und wilder Freude begegnet.

Am Ende hinterlasse ich meine Daten vom Bikefitting, und Alex, dem der Goldsprint gehört, und der mich so berät, dass ich das Gefühl bekomme, er möchte wirklich gern, dass das Rad mir passt und am Ende allen gefällt, will sich auf die Suche nach einem passenden Rahmen machen.

Ich mache ein paar Fotos vom Laden, und dann radeln wir zurück. Auf der Warschauer Brücke stehen die Touristen im Weg herum, der Himmel über Berlin ist ewig grau, und kalt zieht es mir in die Handschuhe. Aber in meinem Kopf, da freestylt die Sonne schon so vor sich hin. Adieu Winterschlaf!

Fortsetzung folgt hoffentlich.