Beim Stöbern nach lokalen Radvereinen stoße ich im Netz auf eine Ansammlung von RTFs im Umland. Da ich gern in Verzückung gerate, wenn Streckenlängen mit über 200 km angegeben sind, schlägt mein Herz hoch, als ich „Rund um Berlin“ entdecke.

Eine kurze Recherche ergibt, dass die Veranstaltung den Namen eines ehemaligen Profirennens trägt. Wenn beides auch nichts miteinander zu tun hat – es bleibt selbst unklar, ob die Strecke tatsächlich die gleiche ist – so steht doch fest: Das wird unser Härtetest!

Wir haben uns mit One-Way-Fahrten ins Umland vorbereitet. Zielorte des Sommers: Fürstenberg, Neustrelitz, Prenzlau, Pasewalk, Uckermünde; Frankfurt an der Oder, Cottbus, Jüterbog, Calau; Dessau, Lutherstadt Wittenberg, Magdeburg. Alle klagen ständig über das Wetter, aber mir will scheinen, wir haben Glück: während ein, zwei Fahrten schauert es gelegentlich, ansonsten bleiben wir trocken. Einzig für den Sonntag der RTF ist Dauerregen vorhergesagt. Der uns dazu bringt, schon bei der morgendlichen Anfahrt mit dem Rad (Startort im Berliner Norden, 13 km entfernt) die Überschuhe überzustreifen. Wie gut, dass ich am Wochenende zuvor noch mit dem Coach zum Einkaufen war.

Der Start ist auf der spärlich informativen Website mit 8 bis 9 Uhr angegeben, wir treffen also gemütlich gegen halb 9 Uhr ein. Und treffen dort auf noch genau zwei Mitglieder des Berliner Radsportvereins – der Pulk ist bereits unterwegs.

Der Pulk besteht, wie M. später herausfinden wird, aus keinen 100 Startern – im Gegensatz zum Berliner Velothon, wo das Starter-Feld in diesem Jahr aus über 10.000 besteht, und das bei ähnlich schlechter Witterung. Was bitte rechtfertigt diesen Unterschied? Fragen wir uns, als wir uns auf die Jagd begeben – nicht nach den Mitstreitern, die über alle Berge sind, wir sehen sie nicht einmal mehr in der Ferne, sondern nach dem Schnitt. M. dreht sogleich ordentlich auf, so dass ich trotz vorherigem Warmfahren Mühe habe, auf Touren zu kommen.

Auf der Jagd auch nach besserem Wetter, denn etwa eine halbe Stunde nach dem Start beginnt es nun wirklich zu regnen, und es hört so vier bis fünf Stunden nicht mehr auf. Pünktlich zum Wetterumschwung fahren wir auf drei Herren auf, die etwas älter sind als wir, und sich bis zur ersten Verpflegungsstation wacker an uns hängen. Und wir machen Tempo!

Auf diesem Bild haben wir Takeshi versteckt. Findest Du ihn?
Auf diesem Bild haben wir Takeshi versteckt. Findest Du sie?

Bis auf die Haut durchweicht halten wir an, um uns mit Bananen, Riegeln und Tee zu stärken. Es ist bei über 20 Grad nicht kalt, es ist nur nass, ein komisches Gefühl. Aber die Strassen sind wetterbedingt angenehm leer, und, wie M. sagt, „nass kann man nur einmal werden“.

Abgesehen davon, dass man mehr als sonst auf Kurven und eventuell rutschige Untergründe aufpassen muss, ist die Strecke sehr schön gewählt. Es geht baumgesäumte kleine Alleen entlang, der Dunst hängt zwischen regenverhangenen Bäumen, wir passieren vier Dutzend kleine Dörfer, von denen jedes dritte das Wort „schön“ im Namen trägt.

Wieder einmal staune ich, wie ländlich es sogleich zugeht, wenn man Berlin mal fünf Meter hinter sich läßt. Alte Feldsteinkirchen. Löschwasserteiche in der Dorfmitte.

Es ist perfekt ausgeschildert, kein einziges Mal fragen wir uns, wo es weitergeht. Den Ausdruck mit der Wegbeschreibung, den man uns zum Start in die Hand gedrückt hat, nehmen wir höchstens heraus, um zu sehen, welchen Teil der Strecke wir hinter uns haben. Eine ungefähre Orientierung ergibt sich durch unsere Ausflüge ins Umland, auf denen wir die heutige Tour, die wie ein Ring um die Stadt liegt, regelmäßig gequert haben.

Nach etwa 140 Kilometer, überholt uns eine Gruppe von etwa acht Mann, an die wir uns dankbar dran hängen. Zu zweit zieht die Streckenlänge doch Energie, auch wenn wir über die gute Versorgung staunen. Und endlich verziehen sich auch die Wolken, die Sonne beginnt zu wärmen und zu trocknen, so dass wir Überschuhe und Regenjacke loswerden. Durch den westlichen Part der Strecke lassen wir uns von der Gruppe navigieren, dann sind wir so weit erholt, dass wir wieder Fahrt aufnehmen wollen. Ein letzter Halt bei Falkensee, wir holen den 5. Stempel. Es können nur noch wenige Kilometer sein. Wieder allein, zieht es sich doch, eine endlos lange Straße führt in zunehmendem Verkehr zurück zum Startort.

Dort treffen wir die acht Mitstreiter, die wir hinter uns gelassen hatten, schon beim Ausklang – augenzwinkernd wird deutlich, da sind welche noch ortskundiger als wir! Wir gönnen uns für ein kleines Entgelt Kaffee und Kuchen. Ein Teilnehmer fragt etwas enttäuscht, ob es denn keine Urkunde gäbe. Nein, gibt es nicht. Ich finde es in Ordnung. Für 15 Euro pro Kopf eine perfekte Ausschilderung auf über 200 Kilometern und fünf gut bestückte Verpflegungsstellen – das Preis-Leistungs-Verhältnis fällt deutlich zu unseren Gunsten aus. Diesem Event wünscht man definitiv mehr Sichtbarkeit in der Szene!

Danke an die Veranstalter, die einen solchen Tag sicher zum großen Teil allein mit persönlichen Engagement möglich machen!

Distanz: 227 km (+ 26 km An- und Abfahrt).
Reine Fahrzeit: 9:10h. Circa 4:30h im Regen.

www.baeren-radsport.de/veranst/rundum.html

Endlich wieder einmal Nummerngirl!
Endlich wieder mal Nummerngirl!