Unser Hotel überrascht uns mit Frühstück auf der Dachterrasse. Zu unseren Füßen schlängeln sich sonnenbeschienen einige Serpentinen hinunter zum türkisblauen Meer, die wir in Kürze hinab brausen werden. Zum Land hin fällt der Blick auf den Ätna, der sich aus dem pastellfarbenen morgendlichen Dunst schält. Es duftet nach Kaffee und Gebäck. Kann ein Montag perfekter beginnen?

Von Taormina aus geht es heute nordwestlich quer über das Peloritanische Gebirge, das quasi die rechte Schulter des Ätna darstellt. Die ersten Kilometer führen durch bebautes Gebiet. Feldsteinmauern, Zitronenbäume säumen den Weg. Der Verkehr fühlt sich im Vergleich zu Deutschland harmlos an. Kleinere Autos, weniger schnell. Außerhalb der Ortschaften dünnt es aus.

Abseits von der besiedelten Küstengegend wirkt das Land zerzaust und ruppig, wenn auch durchweg grün bewachsen. Die Straßen sind uneben und brüchig. Vermutlich Zeichen, dass die Erde hier noch in Bewegung ist. Allmählich wird es steiler. Die Höhe von knapp 1.200 Meter, die wir heute zu überschreiten haben, kündigt sich an. Doch dann ist der zunehmend schwere Widerstand beim Fahren doch einem ersten Platten an meinem Hinterrad geschuldet.

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M. wird mit Tausch von Helm und Kappe vom Fahrer zum Mechaniker und wechselt in Windeseile den ersten Schlauch. Der lässt sich jedoch mit der ebenfalls geliehenen Pumpe nicht aufpumpen, das Ventil ist kaputt. Der zweite und damit letzte Ersatzschlauch wird eingesetzt. Flickzeug haben wir zwar dabei. Aber mit einem noch zu reparierenden Schlauch in die Berge? Kurzerhand drehen wir um und fahren zurück in das letzte Dorf, Francavilla di Sicilia. Zuvor sind wir drei Rennradlern begegnet. Wo Räder sind, sollten auch Ersatzteile sein.

Wir haben Glück. Ein winziges Schild weist auf eine Werkstatt hin, die wir im Vorbeifahren wohl eher für eine private Garage gehalten hätten. Man besteht darauf, uns mit der Standpumpe auszuhelfen. Leichten Herzens nehmen wir den Aufstieg in Angriff.

Wer an einen schönen, gleichmäßig zu fahrenden Pass denkt, irrt. Zerzaust nicht nur die Landschaft, sondern auch die Steigung. Ich hatte unserem Navigationsdienst nicht recht geglaubt, der für alle Etappen weit mehr Höhenmeter angibt, als die absolut zu passierende Höhe glauben machen will. Für den heutigen Tag sollen es 2.000 Höhenmeter sein, obwohl der höchste Punkt knapp unter 1.200 liegen wird. Nun beginne ich zu verstehen. Mal schrauben wir uns Meter um Meter nach oben, dann wieder ist der Weg eben, führt kurz steil bergab, sticht wieder hinauf, wieder geht es nach unten, und so weiter und sofort. Die Strecke ist nicht zu überschauen, wir haben keine Ahnung, wie lange es noch so geht.

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Zudem weht ein perfider Wind. Auf der Hochebene, die es zu überqueren gilt, sind Windräder aufgestellt, soweit das Auge reicht. Es ist ein seltsamer Anblick. Wunderbar einsam, jedoch gibt es auch keine Möglichkeit, irgendwo einzukehren. Ein Gasthof, auf den wir spekuliert haben, hat geschlossen.

Uns bleibt nur, unsere windfesten Sachen überzuziehen und den Abstieg in Angriff zu nehmen. So darf man das hier wohl nennen. Auch abwärts sorgen der Wind und die rissigen Straßen dafür, dass man entweder treten oder bremsen muss.

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Als wir schließlich den kleinen Ort Gioiosa Marea erreichen, wieder am Meer, jedoch auf der nördlichen Seite der Insel, fallen wir völlig leer gefahren in die erste Café-Bar ein, noch bevor wir unsere Unterkunft aufsuchen. Pizza, Cornetto, Tramezzini, Cola – die Vitrine ist rasch leer gegessen.

So endet der Tag ähnlich, wie er begonnen hat: Auf der großzügigen Dachterrasse unserer Ferienwohnung genießen wir die letzten Sonnenstrahlen des Tages.

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Unsere Route für fünf Tage: www.komoot.de/tour/7643287/zoom – 480 km, 7.200 hm
Leider kann man die Route nur aufrufen, wenn man sich bei Komoot anmeldet. Gern verschicke ich die GPX-Datei, einfach melden!