Der letzte Tag. Statt durch die flache, öde Piana Catania auf direktem Wege zurück ans Meer zu rollen, haben wir einen Abstecher Richtung Ätna eingeplant. Ein paar Höhenmeter sollen zusammen kommen, eine unterhaltsame Fahrt soll es werden.

Am vierten Morgen ist der Himmel wieder grau, und gerade nach dem gestrigen Tag wird deutlich, was so ein bißchen Sonne für die Moral tun kann. Aber der Weg erweist sich als gute Wahl. Abwechslungsreich schlängelt er sich durch die auslaufenden grünen Berge. Hier unten wuchert das Kraut forsch und kratzig. Ganze Plantagen von Kakteen liegen am Wegesrand, daneben dann liebliche Blümchen.

Zwischendurch regnet es ein bißchen, wie immer halt.

Irgendwann der Abzweig hoch zum Ätna. Wir biegen in eine kleine, schmutzige, wenig vertrauenswürdige Straße ein. Nach einer Weile häufen sich die Schlaglöcher, der Untergrund wird zunehmend undefinierbar. Wie das so geht auf solchen Wegen. Man hofft, dass es ab der nächsten Kurve besser wird, stattdessen wird es noch ein bißchen schlechter. Umkehren ist auch keine Option, denn man glaubt, das Schlimmste hinter sich zu haben.

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Schließlich ist da nur noch ein sehr nasser, buckeliger Feldweg, und dann stehen wir vor einer Schlammwüste. Cyclocross auf schmalen Reifen, volle Konzentration. Wenn es jetzt bloß keine Panne gibt!

Die kommt erst, als wir wieder festen Boden unter den Reifen haben. Schlauchwechsel neben dem Orangenhain. Es könnte malerisch sein, aber alles ist nass und dreckig. Als dann noch die Kette zwischen Zahnkranz und Rahmen rutscht und sich dort verklemmt, reißt mir der Geduldsfaden. Was ist das ein Krampf auf dieser Reise! Ständig regnet’s, und nun noch die Hände beschmiert mit Kettenöl und Vulkansandmatsch!

M. grinst in sich hinein und macht plötzlich Tempo. Ich muss zusehen, dass ich noch hinterherkomme. Wo ist der nächste Anstieg, um ihn zu bremsen?

Nach zwanzig Minuten hat mir das Reintreten die Wut schon aus den Füßen gezogen. Wir sind am Anstieg nach Bronté, das auf der direkten Ringroute um den Ätna liegt. Auf einmal umgibt uns eine Landschaft aus gespenstisch weiß verfärbten Bäumen, die sich tief an den Boden ducken. Die blattlosen Äste wirken wie abgeschliffen. Karg und wüst sieht es hier aus. Hat es gebrannt? Hat sich Vulkanasche über diesen Abschnitt gelegt und alles Leben erstickt?

Inmitten dieser toten Gegend treiben an drei, vier Bäumen rosa Blüten aus den weißen, düsteren Stämmen. Kitschig und trotzdem ein Blickfang.

Währenddessen entspinnt sich eines dieser Gespräche. Man kann ja tagelang miteinander unterwegs sein und über alles mögliche reden, und dann spricht man keine zehn Minuten richtig, und diese wenigen Worte sind die wichtigsten auf der ganzen Reise.

Leicht und entspannt kurbeln wir die letzten Kilometer nach Bronté hinauf. Cappuccino, ein Schokocroissant, Routine-Halt. Wenn ich nicht langsam das Gefühl hätte, die Radklamotten würden einen Vollwaschgang vertragen, könnten wir jetzt auch einfach weiterfahren. Aber das ist ja immer so – kurz vorm Ende ist es noch mal am besten.

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Eine Schnellstraße führt hinunter bis in die Vororte von Catania. Sie wirkt tatsächlich schnell, wir misstrauen dem Verkehr. Uns jetzt aber noch einmal in kleine matschige Straßen verlieren wollen wir nicht. Lichter angesteckt, denn es liegen Tunnel vor uns, und los geht es mit Rückenwind in die Abfahrt. Es rollt! Die Straße ist top ausgebaut. Wir verziehen uns vor den überholenden Autos auf den Randstreifen und zischen hinab. 15, 20 Kilometer geht es so, immer mit 40, 50 km/h auf dem Tacho. Zeitfahren auf der Strada statale!

Danach ist es Gondelei durch die Vororte, zähflüssiger Verkehr, Abfall am Straßenrand. Aber auch eine großartige Sicht auf den Ätna, der sich heute um die Mitte herum frei von Wolken zeigt.

Zuguterletzt gibt meine Vorderbremse mit einem Mal ein garstiges Kreischen von sich, Metall auf Metall. Fast körperlich versehrt komme ich mir vor, während ich mich vorsichtig die hügelige Stadt hinunter bremse. Der Weg vom unbebauten Land bis zur Unterkunft, er ist seltsamerweise nicht kürzer als daheim in Berlin.

Und schließlich kommen wir an. Glücklich, dass alles gut gegangen ist, voller Eindrücke, und zumindest ich mit Vorfreude auf den leckeren Käse, der in der Spinella Bar zum Campari serviert wird.

Sizilien, du tragische Schönheit! Ich meine fast, wir sehen uns wieder.

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Unser Radverleih in Catania: www.rentbike.it

Ein paar Tipps fürs Fahren auf Sizilien findet Ihr hier.

Unsere Route für vier Tage: www.komoot.de/tour/7633630 – 360 km, 5.600 hm
Man kann die Route leider nur aufrufen, wenn man sich bei Komoot anmeldet. Bei Interesse verschicke ich gern die GPX-Datei.

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