Was ich vielleicht am häufigsten von anderen Brevet- und Langstreckenfahrer*innen höre, ist die Frage, „was isst du denn unterwegs? Nach xy Stunden bekomme ich einfach nichts mehr runter!“

Großes Thema! Seit ich Strecken fahre, bei denen ich essen muss, um zu radeln, statt umgekehrt, lerne ich dazu. Und hier kommt einmal alles, was ich für mich herausgefunden habe.

Sicherheitshinweis: ich bin keine Ernährungsexpertin oder Sportphysiologin. Ernährung auf der Langstrecke ist ja eine Wissenschaft für sich, es gibt dazu professionelle Abhandlungen, sehr ausführlich zum Beispiel in Stefan Barths Buch „Ultracycling & Bikepacking“ (2022, longdistanceMEDIA). Hier teile ich einfach meine Erfahrungen und Erkenntnisse, und wer weiß, vielleicht bekommt jemand Appetit auf etwas Neues.

Stichwort Sportphysiologie: In der Theorie, so lässt sich nachlesen, soll man beim Radfahren pro Stunde für jedes Kilo Körpergewicht x Gramm Kohlehydrate bzw. Carbohydrate aufnehmen (wobei x je nach Quelle leicht variiert). Ich habe mir mal für eine mehrtägige Tour einen Plan gemacht, um diese empfohlene Menge tatsächlich zu mir zu nehmen. Am ersten Tag habe ich unter anderem sieben Bananen verputzt (bescheuertes Wort, aber anders kann ich diesen Vorgang wirklich nicht nennen!), aber ich hatte trotzdem einen Tiefpunkt (oder mehrere) wie sonst auch. Also doch weiter den Fettstoffwechsel so trainieren, dass der unterwegs viel Energie rausrückt.

Reste Kapelmuur-Brevet, Berlin, 410 km, Mai

Welche Speisen sich für mich bewährt haben

Was ich unterwegs mag, hat sich im Laufe der Zeit verändert (generell kann ich immer weniger mit Süßem anfangen), und ändert sich meistens krass im Verlauf eines Tages. Bei mir funktioniert gut:

Früh am Morgen: Bananen gehen immer; halbsüße Teilchen wie, Brioche, Milchhörnchen, Schokobrötchen esse ich stückchenweise auf dem Rad (Achtung bei Hefegebäck – das verträgt nicht jeder Magen).

Tagsüber: Brezel und Brötchen, möglichst selbst Belegtes (bei Bäcker und Tankstelle ist mir oft zu viel Remoulade oder Butter drauf), teigiger Kuchen mit Früchten. In irgendeinem Fachartikel habe ich mal gelesen, weißes Brot (der Tipp war tatsächlich Toastbrot) sei sinnvoller als jedes Gel oder Riegel, das hat sich in meinem Kopf verfestigt und im Magen bewährt, und ich habe schon lange Tage mit kaum mehr als Weißbrot und Trinkjoghurt halbwegs ordentlich hinter mich gebracht.

Gegen Abend oder, wenn es sehr heiß ist, ab Mittag: Trinkjoghurt, Kefir oder Buttermilch mit Frucht- und Zuckerzusatz (oder pur, wenn es vorher zu viel Süßes war, dann müssen aber noch Kalorien woanders herkommen). Einen halben Liter auf einmal reinkippen beseitigt zuverlässig drohende Krisen (ich habe mir sagen lassen, dass es dafür einen stabilen Magen braucht, also besser testen). Ansonsten Eis, Früchte, gesalzene Nüsse (danke Insa für die Idee der Salzmandel!), alkoholfreies Bier.

Reste Mainfranken-Graveller, Würzburg, 570 km, Mai

Am Abend: Etwas Deftiges. Meistens wird es bei mir Fastfood in der Frittenkette, weil es schnell geht, ich im WC in Ruhe Katzenwäsche machen kann und mich in meinen durchgeschwitzten Sachen nicht fehl am Platz fühle (Steckdosen unterm Tisch gibt es auch). Eine Pizza ist noch besser.

Auch toll: Suppe, Brühe, leichter Eintopf oder Curry mit Reis; ersetzt gleichzeitig Salz und Flüssigkeit, und der Bauch hat nicht so viel zu tun. Geht auch gut bei warmem Wetter (unvergessen: beim Alpenbrevet oben auf den Pässen heiße Brühe, dazu dicke Stücke Brot und Käse, und das bei Knallhitze).

Oft muss ich mich zu solchen „langen“ Essenspausen eher zwingen, ich habe das Gefühl aus dem Tritt zu geraten und möchte lieber vorankommen. Aber sie haben sich jedes Mal gelohnt.

Nachts: Wieder Belegtes, sehr gern Kinderschokolade, Bananen – letztere vor allem gegen Morgen, wenn der Magen das lange Wachsein doch nicht so gut findet.

Reste Superbrevet Madonna del Ghisallo, München, 1.075 km, Juli

Für zwischendurch: Cracker oder Chips sind toll, letztere aufgrund der Konsistenz jedoch nicht gut transportierbar (und oft nur in unhandlichen Portionen erhältlich). Salzige Erdnüsse, auch als Elektrolytlieferanten. Bei Weingummi bin ich von Haribo zu Katjes gewechselt, nicht ganz so süß und praktischerweise vegan (außer Haribo Roulette, die seltsamerweise immer gehen). Datteln habe ich inzwischen leider etwas über.

Die berühmte Cola als Energie-Flash mag ich nicht, bzw. nur in zuckerfreier Variante. Dafür schütte ich mir Zucker in den Kaffee oder Tee, trinke gern Apfelsaft oder Smoothies.

Gels fand ich schon immer ungenießbar, ich mag aber Varianten zum Kauen, zum Beispiel Gel Gums von Dextro Energy (danke an Gesine für den Tipp!).

Im Brevet-Umfeld stößt man oft auf Maltodextrin, das mit Wasser gemischt und getrunken wird, um gleichmäßig Kalorien aufzunehmen. Mir ist das zu „mechanistisch“, obwohl sicher ein guter Energielieferant. Aber an der Stelle endet mein Willen, die „Perfomance“ zu optimieren …

Reste Superrandonnée Ötztalrundfahrt, München, 11.000 hm, August

Mein „Start-Paket“

Abhängig von den recherchierten Nachfüll-Möglichkeiten sieht meine Erstausstattung für Touren über 250 Kilometer bzw. über 10 Stunden derzeit so aus:  

  • Ein bis drei Brötchen, leicht saftig belegt, damit „es rutscht“, aber nicht durchweicht. Zum Beispiel mit veganem Schinkenspicker, Gewürzgürkchen, Senf; Käse und Gurke; Pfeffer-Frischkäse und Tomate
  • Bananen: Am besten feste gelbgrüne, die werden unterwegs weich (und auf die Unterbringung achten, damit sie nicht zermantschen), im Winter auch Bananenbrot
  • Riegel aus dem Reformhaus, z.B. Alnatura Mandel-Nuss oder Banane (schmecken wenigstens nur nach Riegel und nicht so pseudo-sportlich)
  • Salzmandeln und Katjes Tropenfrüchte (aber nicht zusammen, das Weingummi wird sonst klebrig)
  • Gel-Gums oder Powergel Shots mit Coffein und Carbo-Riegel für den Notfall, am liebsten Geschmacksrichtung Salty Peanut.
Reste Mühlenbrevet, Leipzig, 250 km, gestern

Was ich rund um die Verpflegung sonst noch beherzige

Oder zu beherzigen versuche:

  • Pack eher Deftiges als Süßes ein, Süßigkeiten kannst du unterwegs an jeder Tanke kaufen.
  • Pack aber die eine Süßigkeit ein, die es an Tankstelle und in Supermärkten nicht unbedingt gibt.
  • Pack eine Variation von Sachen ein, die verschiedene Appetitvarianten bedient; auch Dinge, von denen du dir beim Losfahren nicht vorstellen kannst, jemals Lust darauf zu haben.
  • Ändere beim Start frühmorgens (okay, mitten in der Nacht) nichts daran, was du vorher geplant hattest mitzunehmen (z.B. belegte Brötchen). Auch wenn du dir gerade nicht vorstellen kannst, jemals Lust drauf zu bekommen.
  • Pack die Sachen, die du essen willst, auch so ein, dass du gut rankommst, und nur den Notfallriegel nach hinten (und tausche den Notfallriegel aus, bevor er ungenießbar wird).
  • Kümmere dich innerhalb von 24 Stunden einmal um eine warme Mahlzeit.
  • Einkauf voraus – wenn du mit der Uhr im Kopf unterwegs bist, überleg schon mal, was du gleich essen möchtest, was du für unterwegs brauchst, welche Mengen überhaupt wie ans Rad oder in den Rainer-Beutel passen (Rainer-Beutel: eine Tasche aus dünnem Stoff, die man sich umhängt (meine aktuelle und schon fast zerfledderte ist liebevoll nach dem Stifter benannt))
  • Und natürlich der Klassiker: Iss von Anfang an.

Zuletzt – und gleichzeitig die Antwort auf die andere häufigste Frage:  

Nichts mehr runterbekommen, bedeutet meiner Erfahrung nach überzogen zu haben. Es hilft: Pause machen, langsamer fahren. Ja, schade um den Schnitt. Aber Langstreckenfahren heißt sowas wie einen Rhythmus zu finden, mit dem man auch lange zurechtkommt. Und meistens, so habe ich festgestellt, komme ich mit dieser Pause und der verringerten Geschwindigkeit gar nicht so viel später an.

Das sind meine Gedanken dazu. Vielleicht ist was Nützliches dabei. Oder Ihr habt noch andere schöne Ideen? Wohl bekomm’s!

Reste verwerten beim Oderbruch-Klassiker, 180 km, Berlin, Mai

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Fotos: David sagt immer, man würde von den langen Touren am Ende mehr mit nach Hause bringen als man mitgenommen hat. Also habe ich das mal einen Sommer lang dokumentiert.
Titelbild: Reste vom Brocken-Brevet, Hamburg, 600 km, Juni.